über mich:

Werdegang:

            geboren am Niederrhein

            wo ich auch jetzt wieder lebe und arbeite

            autodidaktisches Studium der Malerei

            seit 1996 freischaffende Künstlerin

            Ölbilder - Collagen - experimentelles arbeiten mit Metall

            Installationen - digitale Bildbearbeitung -

            2007 Gründung des Kunstkollektiv WaV

            2017 Gründung des Kunstkollektiv  JAT ART+              

            seit 2014 Arbeit mit Harzguss

            Mitglied im BBK Köln, Gedok Köln,             

 Kunstsparte:

           Objektkisten - Fotomontagen - Collagen - Installationen - digitale Bildbearbeitung - Malerei - Objekte -

 

Auszeichnungen:

            2023  3. Jury preis des Kunstwettbewerbs „Art Figura“ im sächsischen Schwarzenberg

        2023  Publikumspreis der "ArtFigura"

         2022  1. Jury Preis der Stadt Hann. Münden DKKD

           2022 1. Künstlerpreis Revierkunst Henrichshütte Hattingen

           2022  1. Preis der Dornumer Kunsttage

           2021 2. Publikumspreis Revierkunst Henrichshütte Hattingen 

           2021 1. Künstlerpreis Revierkunst Henrichshütte Hattingen

         2018 2. Publikumspreis Revierkunst Zeche Ewald Herten 

           2016      Kunstpreis der Stadt Emmerich, (Art'Pu:l Kunstmesse) 

         

 Arbeit im öffentlichem Raum:

             2023bis 2026 Skulpturen Park Rees, "der Traum von Silber"            

             2020 Grenzprojekt: „ über Zeiten hinweg“ .

              Grenzüberschreitende Außenarbeit nahe der Thornsche Molen, 

              Persingen, NL / Zyfflich, D 

              2020bis 2023 Skulpturen Park Rees, "Menschenkinder"

              2018 Skulpturen Park Bad Salzhausen, 

              Installation „…zu sehen daß das Gras den selben Schatten fallen läßt..“

           

Ausstellungen (Auswahl)

EA

2024        Galerie 149 Bremerhaven ...und in der Ferne leise...

2023        Köln Kulturkorche Ost „...und in der Ferne leise“ 

2022        Franz Pfanner Haus Arcen, Niederlande

2020        Grenzprojekt „über Zeiten hinweg“(75 Jahre Berfreiung der Niederlande 

                   vom Naziregime) grenzüberschreitende Außenarbeit Persingen NL Zyfflich D

2020        Koenraad Bosmann Museum, Rees

2018         Galerie bij de boeken Ulft, Niederlande 

2018         Kulturwerkstatt Koslarund Seidel, Unkel

GA

2024       Zeche Scherlebeck Herten „so die und das“  Duo_Ausstellung

                 Ausstellung der Nominierten für den Kunstpreis Weißenburg 2024

                 Kulturwerk Aachen  " 2 Frauen, 2 Leben 2 Positionen"  Duo Ausstellung

                 Galerie Kulturwerk Aachen „2 Positionen“ Duo_Ausstellung

2023       Beuningen Sommerlabor  in dem Ausstellungsraum der Kunstinitiatiefe De Nieuwe Gang

          Bedburg Hau: Ausstellung des Sommerlabors Artoll  

                 Bad  Godesberg  "3 Positionen Kunstverein Bad Godesberg  

                 Schwarzenberg Ausstellung der Nominierten des Kunstwettbewerbs Art Figura

            Kamp Lintfort, Mail Art- Ausstellung „Zur Zeit“Kulturzentrum Schirrhof

                 alte Spedition, Gladbeck 

2022        Landeskunstausstellung des BBK NRW „Klare Kante“ im Dortmunder U

                  Kunstverein Emmerich   HiP

           Aachen: ART Connection

                  Denkmalkunst - Kunstdenkmal Hann. Münden

                  Ausstellung der Nominierten bei den Kunsttagen Dornum

                  Kunstfahrroute Ammersfoort, Niederlande

                   Ausstellung Galerie de frame Amersfoort, Niederlande 

              Gennep (NL): Museum Petershuis.

2022/23  Revierkunst Hennrichshütte, Hattingen  

2021         Kunsttage Rhein Erft, Abtei Brauweiler

2020         Ausstellung der Nominierten für den Erna Surborg Preis,  Städtisches Museum, Wesel

2019         Galerie alte Spedition, Gladbeck

                    C.A.R. Zeche Zollverein, Essen

2018         Skulpturenpark Werforum Bad Salzhausen

                 „...zu sehen, daß das Gras den selben Schatten fallen läßt...“      

                 

                  Neutrelitz: Basiskulturfabrik für gegenwärtige Kunst 

              Kranenburg, Richtersgut: Kunst geht über die Grenze

              Badalucco: (I) Art Gallery del Museo di Badalucco

 

 

 


Artikel von:  Sebastian Züger  

in Anlehnung an die Laudatio von Jürgen Kisters, Kunstkritiker Köln 

Wohin mit den Erinnerungen? Allen Menschen dürfte sich – bewusst oder unbewusst – von Zeit zu Zeit und immer wieder diese Frage stellen. Und 

viele von ihnen finden diese Antwort: ab damit in einen Karton, eine Kiste, einen Koffer. Denn Erinnerungen halten länger, wenn sie mit einem haptischen 

Gegenstand verknüpft sind – dem Erinnerungsstück. 

„… und in der Ferne leise“ hat die in Kleve lebende und arbeitende Künstlerin Anne Thoss ihre Ausstellung in unserer KULTURKIRCHE OST überschrieben. 

Denn genau da, selten nah, meist irgendwo versteckt und weit weg vom gegenwärtigen Geschehen bewahren wir sie auf, die aus dem Fluss unseres Lebens 

mehr oder minder zufällig herausgepickten Stücke, die vergangene Erlebnisse bezeugen – meist gute, manchmal schlechte – und sie allein durch ihre Existenz 

vor dem endgültigen Vergessen bewahren.

Aus dieser Praxis schöpft Anne Thoss ihre Kunst. „Objektkisten“ nennt sie ihre Arbeiten, die so mit Sicherheit keine andere Künstlerin auf dieser Welt herstellt. 

Seit 2014 fertigt sie ihre Erinnerungskunststücke aus ausrangierten Schließfachkassetten und überzieht sie zum Zwecke der Haltbarkeit, sicher aber auch der 

Verfremdung und der Annäherung an die üblicherweise vage Gestalt von Erinnerungen, mit mehreren Schichten transparenter Lacke und Harze.

„Da hängt viel Arbeit dran, an so einer Kiste“, sagt Thoss. Diese Arbeit ist einerseits praktischer Natur: Keine Schließfachkassette bleibt die Schließfachkassette, die 

sie mal war, allesamt durchlaufen die ehemaligen Schubladen einen aufwändigen Prozess, ehe sie von Wind und Wetter und tausend kleinen Handschlägen der 

Künstlerin ausreichend Patina angesetzt haben, um als Thoss’sche Objektkiste Ausstellungs- oder Sammlerwände zieren zu können.

Alleinstellungsmerkmal

Mit ihren Objektkisten hat Thoss etwas geschafft, wonach die meisten Künstler streben: ein Alleinstellungsmerkmal, im Businessdeutsch gern „USP“ (Unique Selling Point) genannt. Darauf wies in seiner Einführung zur Ausstellung auch der Kölner Kunstkritiker Jürgen Kisters hin: „Anne Thoss ist Autodidaktin, sie war nie auf einer Kunstakademie. 

So hat sie Lösungswege für ihre Themen gefunden, auf die ausgebildete Künstler wohl nie gekommen wären, weil sie stärker festgelegt sind auf das, was Künstler vermeintlich zu tun haben.“ 

Apropos Themen: Marginalien sind Thoss‘ Sache nicht. Ihr geht es um nichts weniger als das Große, Ganze. „Bevor ich 1996 freischaffende Künstlerin wurde, war ich 

Sozialarbeiterin“, sagt sie. „Da ist man einfach vorbelastet.“ Es geht um die Menscheit, ihre Existenz und ihr gefährdetes Fortbestehen, um die Verantwortung des Einzelnen und der Gesellschaft, um Geschichtliches, Gegenwart und die notwendigen Umbrüche für eine lebenswerte Zukunft. 

Anknüpfungspunkte findet Thoss auch in ihrer eigenen Vita. Sie wuchs im Westen Deutschlands als Tochter eines Vaters auf, der aus Ostdeutschland stammte und dem Krieg und Mauerbau die Heimat geraubt hatten. „Grenzen und wie man sie überschreiten kann, das ist auch immer ein Thema von mir.“

Bei aller Einmaligkeit: Festnageln lassen will sich  Thoss nicht auf das ihr eigene künstlerische Sujet der Objektkisten. Jüngst deckte sie für eine Ausstellung

„Die Tafel der Menschheitssünden“. Epoxitharz war auch diesmal wieder mit von der Partie, allerdings keine Bankschließfächer,  sondern Teller auf einem nur vermeintlich festlich gedeckten Tisch. Womöglich fürs wirklich allerletzte Abendmahl? Die Gerichte jedenfalls tragen solch leckere Titel wie 

„Halbgefrorenes an Gletscherschmelze“ oder „Toter Fisch im Plastikstrudel“.

Von der Jury des Kunstwettbewerbs „Art Figura“ im sächsischen Schwarzenberg gab’s dafür den dritten Preis. Es war nicht die erste Auszeichnung für Anne Thoss, 

und ganz bestimmt auch nicht die letzte …

Rede zur Eröffnung der Ausstellung im Kulturwerk Aachen "2 Frauen  - 2 Leben - 2 Positionen" von Alexandra Simon_Tönges, Kunsthistorikerin M.A.

Zwei Frauen. Zwei Positionen. Zwei Leben. Greta Minderjahn und Anne Thoss im Kulturwerk Aachen, 11.04.24

Vorab: Sehr berührende Ausstellung zweier Künstlerinnen, die trotz ihrer unterschiedlichen Positionen und Perspektiven doch einiges verbindet // Danke

Wenn man reinkommt, fällt sofort die Wand mit den kompakt gehängten Frauenbildnissen auf – sie steht programmatisch für das Thema, das Greta Minderjahn umtreibt. Mit gerade einmal 21 Jahren hat sie bereits an der Freien Kunstschule in Köln ihren Abschluss gemacht und zeigt uns hier, wie reif das Werk eines jungen Menschen sein kann. Sie beschäftigt sich intensiv mit weiblicher Identität und Selbstwahrnehmung und spiegelt in ihren Bildnissen die unterschiedlichsten Empfindungen wider: Schmerz, Freude, Trauer, Wut, Angst – die ganze Bandbreite der Gefühle ist dort zu finden.

Dabei ist die Stimmung, die sie erzeugt immer begleitet von einer leichten Melancholie: ihre Frauen sind zwar stark und selbstbewusst, aber auch verletzlich und schutzbedürftig. Die Lesart bestärkt sie mit Titeln, die mal eindringlich, fast schmerzlich klingen, andere sanft und poetisch. Titel wie HarmonieillusionAtelophia (die Angst davor, nicht perfekt zu sein, Einsam oder I hope you heal from the things you do not talk about erzählen von der Unsicherheit junger Frauen, während Titel wie The LookResilienceSelbstbewusstzufrieden oder das sehr poetische Seelenglücklich von Momenten der Stärke und Selbstsicherheit erzählen.
Ihre Aussage unterstreicht die Künstlerin gerne mit einer starken Farbwahl. Einige Frauen sind von einer goldenen Aureole hinterfangen, dieser Heiligenschein verleiht den Frauen eine besondere Aura: Sie sind Heilige, Mutter, Schützende, strahlen aber auch eine enorme Weiblichkeit aus. Aber auch ein kränkelnd mattes Grün, ein sattes und kühles Blau oder ein energiegeladenes intensives Orange unterstützen die jeweilige Bildaussage.

Während es in diesen Bildnissen allgemein ums Frau-Sein und weibliche Identität geht, sehen wir an der Wand gegenüber Porträts von vier jungen Frauen, die uns ihre ganz eigene Geschichte erzählen – sie alle sind von der Erkrankung Endometriose (eine Erkrankung der Gebärmutter) betroffen.
Wir sehen vier Frauen, die völlig gesund wirken und gut gelaunt scheinen. Nichts deutet darauf hin, dass sie Schmerzen haben, dass ihr Schmerz vielleicht lange nicht richtig zugeordnet werden konnte und dass sie nicht dauerhaft geheilt werden können. In kleinen Steckbriefen erfahren wir jeweils mehr über sie und es wird klar, wie sehr die Frauen unter der Endometriose leiden. Mit diesen Porträts macht Greta auf eine sehr unmittelbare und berührende Art auf das Schicksal der von Endometriose betroffenen Frauen aufmerksam. Die Kunst bietet dabei einen sehr direkten visuellen Zugang. Wer mehr erfahren möchte, findet ausführliche Informationen im ausgelegten Flyer und im Text. So trägt die Künstlerin dazu bei, dass diese Krankheit bekannter wird, dass sie ernst genommen werden, dass es weniger Unverständnis und mehr Unterstützung gibt.

Und dann sehen wir sehr prominent platziert noch ein Gemälde, das zwei Bilder in einem vereint. Schaut man von rechts auf das Kipprelief sieht man das Porträt einer jungen Frau. Erst wenn man die Perspektive ändert und die schmalen Lamellen der Dreikantleiste von der linken Seite betrachtet, sieht man eine ältere Frau. Damit könnte diese Arbeit als ein Bindeglied zwischen den beiden Künstlerinnen gelesen werden, die die Verbindung zwischen Jugend und Reife, zwischen Vergangenheit und Zukunft symbolisiert.

Damit wenden wir uns den Arbeiten von Anne Thoss zu und einer Künstlerin, die auf fast 50 Jahre mehr Lebenserfahrung zurückblicken kann. Auch sie lässt in ihrem Werk das eigene Erleben mit gesellschaftlichen Themen verschmelzen. Dabei ist ihr Herzensthema der Mensch und seine Würde.

Diesem Themenfeld nähert sie sich auf verschiedenen Wegen: mit Skulpturen, Installationen und Objektkisten. Besonders beeindruckend ist die Installation Kleiner Mensch, die uns mit Bildern von 80 Autokraten, Diktatoren und Populisten konfrontiert, während im Hintergrund ein Film läuft, der in einer Abfolge von Einzelsequenzen Bilder von Krieg, Zerstörung und Leid zeigt. Hier kommen Fragen auf: Wie verantwortungsvoll gehen Machthaber mit menschlicher Würde, Freiheit und Toleranz um? Oder auch: Wie gehen wir mit unserem Nächsten um?

Von hier geht es weiter zur Skulpturengruppe Menschenkinder. Rund um einen zerklüfteten Baumstumpf, der für eine zerstörte Welt stehen kann, befinden sich Menschen, die vereinzelt und hilflos den gesellschaftlichen und politischen Umständen ausgeliefert sind. Wie kleine Schachfiguren wirken sie, die beliebig hin- und hergeschoben werden können.

Lassen wir den Blick weiter schweifen, kommen wir zu den Objektkisten. Die Künstlerin kommentiert hier das Zeitgeschehen, denkt über die menschliche Existenz und unser Dasein nach. Wie auf einer kleinen Theaterbühne beobachten wir kleine Szenen, die aus einer Kombination von Fotografie, Malerei und kleinen Dingen besteht, die geschichtet und übereinandergelegt werden. Wie in einer Schatzkiste, in der man Erinnerungsstücke und Geheimnisse aufbewahrt, werden Ereignisse, gesellschaftliche Fragen oder Probleme gesammelt und archiviert. Konserviert wird die Gesamtkomposition von einer Schicht Epoxidharz, die den Effekt der Tiefe und der Schichtung noch unterstreicht. Als Bildträger dienen Bankschließfach-Kassetten, die man öffnen und schließen kann. Für Anne Thoss sind sie ein Arbeiten gegen das Vergessen, ein Bewahren von Erinnerung, die auf- und zugedeckt werden kann. Der Deckel ermöglicht es jederzeit, den Blick von den schwierigen Themen unserer Gesellschaft abzuwenden oder auch bei einem Wiederöffnen neues zu entdecken. Für den Betrachter können sie zum Assoziationsraum der eigenen Geschichte werden.

Wenn wir der Ausstellung hier weiter folgen, sehen wir, dass Anne Thoss den Bogen spannt vom Blick auf das kollektive Schicksal von anonymen Menschenmassen in autokratischen Systemen über die bühnenartigen Szenen mit unterschiedlichsten Aspekten des Weltgeschehens hin bis zum individuellen Einzelschicksal. – Denn ein Treiber für ihr künstlerisches Schaffen ist ihre eigene Geschichte. Mit der Installation „Ein Leben“ schaut sie auf ihre eigene Familiengeschichte und zeigt, was es bedeuten konnte, sich in einer Diktatur kritisch zu äußern und damit in existentielle Not gebracht zu werden. Hier wird deutlich, welchen Unterschied es macht, ob allgemein über Zahlen von Betroffenen (Krieg, Flucht) berichtet wird oder ein Geschehen am Schicksal einer individuellen Person erzählt wird. So wird Statistik zur Tragödie.

 

Mit ihren vielfältigen Arbeiten weist uns Anne Thoss auf unsere individuelle und gesellschaftliche Verantwortung hin. Auf subtile, nicht bedrängende Weise fordert sie den Betrachter dazu auf, Stellung zu beziehen und sich zu positionieren. Dabei stellen sich unweigerlich Fragen: Wie gehen wir mit Erlebnissen und Erinnerungen um? Wie betrachten wir die Geschichte und welche Lehren ziehen wir daraus für die Zukunft? Gleichzeitig ist ihr Werk ein eindringlicher Appell für Respekt und Würde gegenüber jedem einzelnen Menschen.

Diese Ausstellung geht über die reine Bewunderung von Bildideen, kreativem Prozess oder handwerklichem Können hinaus. So unterschiedlich die Themen und Techniken der Künstlerinnen auch sind, sie fordern uns auf, uns mit den dargestellten Themen auseinanderzusetzen, Position zu beziehen und unsere Verantwortung in der Gesellschaft zu reflektieren.

Alexandra Simon-Tönges, M.A. Kunsthistorikerin

Rede anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „So dies und dass“ von Anne Thoss und Udo Unkel, im Maschinenhaus Scherlebeck am 1.9.2024

 

Unter dem Titel „So dies und das“ zeigen Anne Thoss und Udo Unkel bis zum 22. September Skulpturen, Installationen und Objekte aus den letzten Jahren. 

„Dies und das“ das steht für allerlei, manches, einiges oder vieles. Das im Ausstellungstitel vorgestellte „so“ lässt das Allerlei gar belanglos, zusammenhanglos, oder beiläufig erscheinen.

Und so stellt sich die Frage nach dem berühmten „roten Faden“ innerhalb der Werke der einzelnen Kunstschaffenden und den Schnittstellen beider künstlerischen Arbeiten hier in der Ausstellung. 

Ein Versuch.

Das erste „Dies und das“ steht direkt vor ihnen. Es ist ein Regal, das der in Dortmund lebende Udo Unkel hier mit einigen kleinen Dingen bestückt hat.

Während der Steinmetz, Bildhauer und Objektdesigner mit seiner Videoinstallation „Weltgeld“ - auf den immer abstrakter gewordenen Geldkreislauf verweist, bezieht er sich mit dem Objekt „Mi Balloon Dog“ ganz konkret auf den Kunstmarkt. So greift er mit dem zerfallenden Hund aus Schweinedarm die Form von Jeff Koons „Balloon Dog“ auf. 

Dessen orangene hochglanzpolierte Edelstahlplastik war 2013 bei Christie's für 43,6 Millionen Euro versteigert worden. 

Die quietschende Farbigkeit des Objektkastens hier in der Ausstellung verweist auf den Populär- und Kitschfaktor von Koons Arbeiten. Das Aufblähen und Zerfallen der Preise am Kunstmarkt können dem Betrachter bei „Mi Balloon Dog“ in den Sinn kommen. 

 

Neben dieser Videoarbeit zeigt Udo Unkel mit dem „Automat Nr. 2“ symbolisch seinen Blick auf die westliche Welt. Wie bei den früheren Kaugummi- oder Spielzeugautomaten wirft man hier Geld hinein und bekommt eine durchsichtige Plastikkugel, allerdings weder mit dem Einen noch mit dem Anderen. Die Plastikkugeln enthalten einen Rosenkranz, Schmuck oder einen Dosimeter.

Mit letzterem misst der Käufer, ob er radioaktiv verstrahlt ist. 

Für Unkel ein Symbol für Krieg, wurden doch infolge des Irakkriegs überhöhte radioaktive Strahlungen gemessen, ebenso wie im ehemaligen Jugoslawien und in Afghanistan. 

Schmuckstück und Rosenkranz stehen hingegen für Luxus und Glauben.

 

Ein weiterer Aspekt von Unkels künstlerischen Arbeiten zeigt sich in seinen kinetischen Objekten, die so genannten „Monster“, die sich in Bewegung setzen lassen.

So baut Unkel seit 2013 morbid erscheinende Wesen aus Tierknochen, Schädeln, Blechdosen und anderen natürlichen und unnatürlichen Fundstücken, die sich batteriebetrieben durch Hebel und Schalter in Bewegung setzen lassen und mitunter Geräusche von sich geben.

An Spielzeug erinnernd, wecken die „Monster“ auf der einen Seite eine humorvolle kindliche Neugier, auf der anderen aber auch Mitgefühl etwas Grusel und die Assoziation mit dem Tod.

Die archaisch-natürliche Wirkung der Tierschädel und -knochen steht der deutlich sichtbaren technischen Konstruktion und dem elektronischen Antrieb gegenüber.

So befindet sich neben „Herrn Schmidt“ und anderen auch das „snowball monster“ in dem Regalaufbau.

In Betrieb wirbelt das beflügelte Wesen in der Box kleine weiße Kügelchen auf, die hier als Schnee gemeint sind.

Klangen Aspekte des Krieges im Werk von Unkel bereits an, so lassen sie sich auch noch mal ganz direkt in den verschiedenen Helmen, ebenso wie in der Arbeit „Granat“ hinter dem Regal an, einer Granathülse mit einem Zündkopf aus Sand, der sich im Lauf der Ausstellung auflöst.

Neben popkulturellen und religiösen Elementen sind ebenso politische Aspekte zu finden, wie das Konterfei von Donald Trump gepaart mit einem mittleren Zeigefinger auf einem Skateboard zeigt.

 

Auch Anne Thoss beschäftigen die aktuellen und zurückliegenden politischen Machtverhältnisse, wie sie durch einzelne Machthaber:innen und Politiker:innen vorgelebt und durchgesetzt werden.

Die am Niederrhein ansässige Malerin und Objektkünstlerin zeigt hier einen Auszug der im Kontext des größer und als erweiterbar angelegten Werk „kleiner Mensch“.

Die hier ausgestellten Prints zeigen im Internet gefundene s-w-Portraits von ebensolchen Machtmenschen, darunter der diktatorische Regierungschef Libyens Muammar al-Gaddafi, den nationalkonservativen israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, die Co-Vorsitzende der AFD Alice Weidel, davor zwei schmale Banner, die mit den Titeln „Flucht I“ und „Flucht II“ beschrieben sind.

Arbeiten wie diese lassen ganz konkret an den Krieg in der Ukraine und denjenigen im Gazastreifen sowie an die dahinterstehenden Verantwortlichen denken.

Ganz allgemein zeigen sie einen Aspekt, wie sich Menschen den Kriegs- und Krisenzeiten entgegenstellen oder versuchen ihnen zu entkommen.

 

Ein allgemeineres und abstrakteres Bedrohungsszenario stellt die Bildwelt in einem der Objektkästen von Anne Thoss dar, die hier ringsum an den Wänden zu finden sind.

Die mit „Tanz der Dämonen“ betitelte Arbeit aus dem letzten Jahr zeigt eine nicht genau definierte Gewalt, die zwei Menschen immer weiter zurückdrängt und zum Taumeln, ja fast zum Stürzen bringt. Auf der gegenüberliegenden Seite der Maschinenhalle finden wir drei weitere Kisten, die  Bedrohliches bergen mögen, aber auch auf einen anderen Aspekt von Vergangenem.

 

So sehen wir in „ausgezählt“ einen Männerkopf vor überkreuzten Stangen, die eine waffenähnliche Anmutung haben.

Daneben stilisierte Silhouetten von Industrie, Fördertürme, Fabrikgebäude mit riesigen Schornsteinen und rechts schließlich die Rückenfiguren zweier Männer vermutlich im Anzug.

„ausgezählt“ birgt somit Hinweise auf etwas Vergangenes, Zurückliegendes: 

handelt es sich bei dem Mann links um den „Ausgezählten“? 

Und sind die beiden Männer die „Abwickler“ dieses Vergehenden? 

Fragen, die sich hier stellen können.

Mit der Arbeit „Epochenende“ greift Thoss abermals das Thema „Industrien“ und Technologien auf und spielt damit auf den großen auch technischen Wandel unserer Zeit.

Dieser Wandel spiegelt sich auch in den verwendeten verschließbaren Kästen, denn es handelt sich um ausrangierte Bankschließfachkassetten.

Diese flachen Metallkästen verweisen in der ihrer eigentlichen Funktion enthobenen neuen Erscheinung auf den Wandel im Bankwesen, auf die Zunahme von globalem Handel und des online-bankings in den vergangenen Jahrzehnten und die damit verbundenen Filialschließungen zahlreicher Banken grade in den Vororten unserer Städte oder auf dem Land, die Anne Thoss wiederum im Internet, in Vintage Läden oder auf Flohmärkten findet und umnutzt.

Auch die ab 1898 errichtete alte Maschinenhalle hier in Herten hat mit dem schleichenden Niedergang des Steinkohlenbergbaus, der mit der Kohlekrise ab Ende der 1950er Jahre begann, eine neue Funktion als Ausstellungsort gefunden, ebenso wie die Bankschließfachkassetten bei den Arbeiten von Anne Thoss.

Sie selbst schreibt zu ihren Objektkisten: 

„Zu einem Zeitpunkt in der die Globalisierung weiter fortschreitet, die Vernetzung und Verstrickung im Internet zur Selbstverständlichkeit wird, gewinnen parallel dazu Kisten, Koffer, verschließbare Ordner wieder an Bedeutung. 

Sie werden zum Ort für Geheimnisse, für Geschichten zum aufheben und zum weitergeben. 

Jede meiner Kisten erzählt eine solche Geschichte. 

Die Geschichte die ich ihr gegeben habe muss nicht die sein, die der Betrachter darin vorfindet.“

 

Diese in den Objektkisten ausgelegten imaginären Spuren von Wandel und Vergangenem finden sich auch in den Fotomontagen, die mitunter eine surreale bzw. surrealistische Anmutung haben können. Die Anfänge der Fotomontage liegen bereits über einhundert Jahre zurück und finden ihren Ursprung in den Arbeiten der dadaistischen Kunstschaffenden Raoul Hausmann und Hannah Höch. Mit der Erfindung der digitalen Fotografie und Bildbearbeitung ist die Arbeitsweise über das analoge Arbeiten hinaus noch sehr viel vielfältiger und auch verbreitbarer geworden und wird sich mit der Nutzung von KI-Technologien noch einmal wesentlich verändern.

Das hier in der Ausstellung verwendete Fotomaterial stammt zumeist aus dem privaten Archiv von Anne Thoss, zuweilen aufgenommen in Städten im Süden.

Die verlassenen manchmal etwas verwunschen anmutenden Orte, der Zerfall, das Abblättern der Farbe von den Wänden verdichten die künstlerischen Themen wie das Zeigen von Wandel und Vergangenheiten im Werk der Künstlerin.

 

Zum Inhalt ihrer Arbeit sagt sie selbst: 

„Es ist grundsätzlich eine kritische Auseinandersetzung mit Vergangenem und Gegenwärtigem, auch damit wie der Mensch mit seinen persönlichen Erfahrungen und gesellschaftlichen Gegebenheiten umgeht, wie Verdrängung, Vergessen oder Glorifizierung... eine notwendige Auseinandersetzung, um ein Auseinanderdriften der Gesellschaft zu verhindern.“

 

Das Verorten des Menschen in Vergangenem und Gegenwärtigen spiegelt sich ebenso in den Skulpturen von Udo Unkel, die hier mitten im Raum platziert sind.

Es sind äußerst fragil wirkende Figuren, mit extrem dünnen Körpern, die aus kleinen Stahlteilen zusammengeschweißt sind. 

Die Oberflächen sind offen, aufgebrochen und von grober Struktur. Die Gesichter detailliert ausgearbeitet. So auch bei der Skulptur „Menschenfreund“.

Er begegnet uns beim Spaziergang mit einem Hirschen, der Spaziergänger selbst trägt allerdings das Geweih auf dem Kopf. Auch hier sind die Körperformen aufgebrochen, der Hirsch erscheint skelettähnlich auf dünnen Beinen. 

In den letzten Jahren fand er die aufgelöste Formensprache mit rauher Oberflächenstruktur, gestalterische Mittel, die Zerissenheit und Ambivalenz zum Ausdruck bringen.

Die Stahlskulpturen mögen an die des Schweizer Bildhauers Alberto Giacometti erinnern, der für seine dünnen langen Schreitenden bekannt ist, die er ab 1946 zunehmend entstehen ließ und damit die „Übermacht des Raumes“ zum Thema machte, wie man sie bisweilen auch hier sehen kann. 

Während aber Giacometti mit der für ihn typischen, groben Oberflächenstruktur unnahbare, weil unerkennbare Physiognomien schuf, sind die Gesichter und damit die Figuren von Udo Unkel immer erkennbarer und nahbarer geworden. 

Der Raum wird bei seinen Arbeiten mitunter zu einer imaginären Landschaft, wie das Beispiel des „Menschenfreund“ beim Spaziergang bereits zeigt.

Neben solchen profanen Themen, wie sie hier zum Beispiel auch im „Stelzenläufer“ zu finden sind, greift Unkel, wie schon bei dem Rosenkranz und der Jesusfigur im Regal zu sehen, auch in seinen Skulpturen mythologische und religiöse Themen auf.

Beispiel dafür finden sich in den Skulpturen mit dem Titel „Cisseis“, „Der Tod des Odysseus“ und „Mi Jesus“.

 

Cisseis hier dargestellt auf einem Wägelchen stehend und mit Flügeln, war nach der Erzählung von Ovid, der „Ilias“, die letzte Königin von Troja und Frau des Priamos.

Die 10 Jahre andauernde Belagerung von Troja und deren Eroberung hatten die stolze Mutter zahlreicher Kindern ins Elend gestürzt. Die Kinder wurden getötet, sie geriet in Gefangenschaft und wurde selbst Sklavin des Odysseus.

Sie gilt als Sinnbild eines schicksalhaften Lebens. Unkel zeigt sie wankend auf einem Wagen stehend.

Mit den Flügeln an der Figur eröffnet er gleichzeitig eine Assoziation zum Ikarus-Thema, einem mythologischen Symbol für den Hochmut.

Die heldenhafte Gestalt des Odysseus wiederum, der mit dem Trojanischen Pferd schließlich für den Fall Trojas sorgte, ist hier ebenfalls in der Figur mit dem Titel „Tod des Odysseus“ vertreten.

Eine Version zum Tode des Helden besagt, dass Odysseus tragischerweise und versehentlich durch seinen Sohn Telegonos, den er mit der Zauberin Circe gezeugt hatte, mit einem Giftstachel in Form einer Lanze getötet wurde.

 

Sowohl Udo Unkel als auch Anne Thoss werfen mit den in der Ausstellung „So dies und das“ gezeigten Arbeiten einen detaillierten umfassenden Blick auf das Menschsein, dessen Welt und Lebensumfeld. 

So begegnen uns zerrissene Figuren in unterschiedlichen Posen: beim Spazierengehen, ausbalancierend schwankend und nach festem Stand suchend, ebenso wie verlebte, teils zerstörte und sich im Übergang befindliche Orte, die von Anne Thoss, wie Bühnenbilder und Kulissen vor Augen treten und uns selbst einladen sie zu betreten und uns zu verorten.

Neben Aspekten von Krieg und Gewalt finden sich in beiden Werken politische und aktuelle Ansätze, wie die Portraits von Donald Trump oder Benjamin Netanjahu und anderen Personen zeigen.

Fragen, die sich mir mit der Betrachtung der Ausstellung stellten waren: 

 

Welche Rolle spielen wir einzelnen eigentlich in dieser Welt?

Nehmen wir uns zu wichtig, wenn wir doch gleichzeitig so fragil und ungeschützt sind?

Wie und wo finden wir Halt?

Wie können einzelne Menschen solch Leid auslösen?

Wie wollen wir mit Vergangenem umgehen?

Wollen wir Vergangenes ausblenden, so wie sich die Schließfachkassetten hier an den Wänden auch schließen lassen?

Und, wie können wir als einzelne Gemeinschaft stärken und erhalten, die uns letztlich mit trägt und schützt?

Darüber hinaus zeigt sie ein breites Spektrum künstlerischen Arbeitens.

Zum Einen das Arbeiten mit Fundstücken, mit Alltagsmaterialien, zum Anderen das Arbeiten mit natürlichen Materialien. 

Ebenso sehen wir das Weiterentwickeln von technisch produziertem Material, wie auch klassische handwerkliche malerische und bildhauerische Elemente in der Ausstellung „So dies und das“.

Und nun bleibt mir nur noch Ihnen viele weiter anregende Gedanken bei der Betrachtung der Werke und gute anregende Gespräche zu wünschen.

 

Simone Rikeit

Preise und Auszeichnungen

...und in der Ferne leise...

20.08.2022 Verleihung des Dornumer Kunstpreises